Es ist ein Thema, mit dem sich niemand gerne befasst. Allerdings ist die Regelung des digitalen Nachlasses heute mindestens so wichtig wie die klassische Nachlassregelung für „Haus und Hof“.
Neben der akuten Trauer stehen die Angehörigen nach dem Tod eines geliebten Menschen vor einem Berg von Arbeit und wahrscheinlich einem Meer von Accounts, Profilen, Konten, Verträgen und so weiter. Je besser die Bewältigung dieses Chaos vorbereitet ist, desto schneller und besser können sich die Angehörigen mit der eigentlichen Trauerarbeit befassen.
Ohne viel weitere Einführung möchte ich daher hier einige Tipps, Anregungen und Fingerzeige geben. Sowohl für jeden selbst zur Vorbereitung als auch für die Angehörigen, die den digitalen Nachlass verwalten sollen.
Vorsorge betreiben: Wer wird Ihr digitaler Nachlassverwalter?
Bestimmen Sie eine in vollem Umfang vertrauenswürdige Personen zu Ihrem digitalen Nachlassverwalter. Informieren Sie diese Person über die Nominierung und statten Sie sie mit den entsprechenden Informationen zur Bewältigung der Aufgabe aus.
Legen Sie eine Account-Liste mit URLs, Benutzernamen und Passwörtern an und pflegen Sie diese laufend. Hier bieten sich Werkzeuge an wie KeePass oder 1Password, deren Datenbank Sie auf einem Onlinespeicher ablegen und mit einem Masterpasswort verschlüsseln oder die grundsätzlich ein Cloud-Dienst sind. Zugang zum Cloud-Dienst oder Onlinespeicher sowie Masterpasswort sind zentrale Informationen für ihren Nachlassverwalter, die Sie verschlossen an einem abgestimmten Ort hinterlegen.
Smartphone als Master-Key
Da nach heutigem Stand das Mobiltelefon/Smartphone ein zentraler Schlüssel zum Zugriff oder zum Zurücksetzen von Passwörtern für Online Accounts ist (Bestätigungscodes per SMS, Zwei-Faktor-Authentifizierung per App, Bestätigungslink per Mail), stellen Sie sicher, dass Ihr Nachlassverwalter sich Zugriff auf Ihr Smartphone verschaffen kann. Dazu erlauben Sie die Anmeldung per PIN/Passwort zusätzlich zu FaceID, Fingerabdruck & Co. und hinterlegen das Geheimnis entsprechend (bei Änderung an die Aktualisierung denken!). Da meist weitere Accounts wie E-Mail, Google, iCloud und andere auf dem Telefon gespeichert sind, sind diese nach Entsperren des Smartphones direkt zugänglich. Teile Ihrer Privatsphäre, die auch nach Ihrem Tod gesichert bleiben sollen, müssen Sie also mit einer weiteren Ebene schützen. Apps wie Signal bieten dafür eigene PIN/Passwort-Abfragen oder auch das automatische Verschwinden von Nachrichten nach einstellbarer Zeit an.
Legen Sie einen analogen Ordner oder einen Ordner auf einem Onlinespeicher an, auf den Ihr digitaler Nachlassverwalter zugreifen kann und in dem Sie stets aktuelle Vertragsunterlagen sammeln für Internet & Telefon, Mobilfunk (SIM-Brief mit PUK und SuperPIN), Web-Hoster, Domain-Verwaltung usw.
Zu Web-Paketen, Domains und ähnlichem notieren Sie gerne Basisinformationen, was es damit auf sich hat (Nutzung, Beteiligte u.ä.), sofern das Ihren Angehörigen nicht ohnehin bekannt ist.
Erstellen Sie eine Übersicht Ihrer Bankkonten mit Informationen wie Zweck/Nutzung, Form der Verwaltung, TAN-Lösung, damit ggf. Zugriff, zumindest aber Kontakt zur Bank möglich ist, um die erforderliche Rechtsnachfolge anzutreten.
Umgang mit Social Media Accounts
Für Social Media Accounts bestimmen Sie nach Möglichkeit, was nach Ihrem Ableben mit den Accounts geschehen soll. Facebook etwa bietet das Versetzen in einen „Gedenkzustand“ an, was Angehörige mit Sterbeurkunde und einem bürokratischen Vorgang veranlassen können. Facebook erlaubt aber auch per Einstellung in Ihrem Profil vorzugeben, was geschehen soll – ob sich der Anbieter dann bei der Unterrichtung über den Tod des Benutzers an diese Vorgabe hält, ist mir nicht bekannt. Sofern Zugriff auf den Account besteht, kann sich Ihr Nachlassverwalter aber an dieser Vorgabe orientieren – auch wenn das Anmelden an einen „fremden“ Account eine Verletzung der Nutzungsbedingungen von Facebook darstellt – und etwa die „vollständige“ Löschung Ihres Profils veranlassen.
Zugriff und Verwaltung für digitale Nachlassverwalter
Wenn Sie vor der Aufgabe stehen, den digitalen Nachlass eines Verstorbenen zu verwalten, machen Sie es wie Beppo der Straßenkehrer Momo empfiehlt: nie an die ganze Straße auf einmal denken, immer nur an den nächsten Schritt.
Überblick verschaffen
Versuchen Sie dennoch eine vollständige Liste der zu behandelnden Accounts, Konten und Verträge zusammenzustellen. Diese können Sie dann nach Wichtigkeit ordnen und Schritt für Schritt abarbeiten. Kriterien für die Wichtigkeit können Kosten, Sichtbarkeit (Stichwort Facebook), aber auch Risiken sein; die Erben müssen ggf. Bestellungen in einem Online-Shop bedienen oder stehen in Gefahr abgemahnt zu werden, wenn etwa eine Website keine DSGVO-konforme Datenschutzerklärung beinhaltet.
Wie kleinlich, bürokratisch oder kulant unterstützend Anbieter mit der Regelung von Nachlassangelegenheiten umgehen, unterscheidet sich sehr stark. Der BahnCard Service etwa reagiert auf die Mitteilung eines Sterbefalles per Mail zügig und kulant mit der Kündigung eines BahnCard Abos zum Laufzeitende, auch wenn die Kündigungsfrist nicht eingehalten wird und die neue BahnCard bereits vorliegt (aber noch nicht gültig ist). Google scheint es praktisch unmöglich zu machen, den Account eines Verstorbenen zu übernehmen, und sehr aufwändig, ihn löschen zu lassen. Eine umfangreiche Übersicht über den Schwierigkeitsgrad der Löschung mit direkten Links zu den Anbietern bietet justdelete.me. Stellen Sie sich auf jeden Fall darauf ein, nicht nur für Banken Kopien oder gar Originale der Sterbeurkunde liefern zu müssen.
Verfügungsgewalt dank Smartphone
Die bequemste Lösung ist daher, selbst Zugriff auf die Accounts zu haben oder zu bekommen. Falls Ihnen ein Passwortspeicher vorliegt, sind Sie bestens vorbereitet. Haben Sie Zugriff auf das Smartphone des Verstorbenen mit gespeichertem Passwort für den oder die Mail Accounts, stehen Ihnen in der Regel alle Mittel zur Verfügung, um Passwörter zurückzusetzen und sich so Zugriff zu verschaffen – auch auf einen Windows 10 PC, der mit einem Microsoft Live Account verknüpft ist („Passwort vergessen“-Prozess nutzen).
Ggf. müssen Sie sich lokal Zugang zu einem PC verschaffen, um auf gespeicherte Passwörter (Browser!) zugreifen zu können. Hier kann eine Knoppix Boot-DVD (oder ein USB-Stick) gute Dienste leisten, sofern keine Festplattenverschlüsselung wie Bitlocker im Einsatz ist. Bringen Sie vorsichtshalber ein externes DVD-Laufwerk mit, von dem Sie den Rechner booten können. Auch ohne Passwörter zurückzusetzen können Sie aus dem Live-System von DVD dann auf die Datenbestände des PCs zugreifen. In diesem Szenario werden aber zusehends mehr technische Kenntnisse erforderlich, die schon über die erwartbare Nachlassverwaltung hinausgehen.
Keine General-Lösung
Bevor Sie Verträge kündigen und Accounts löschen (lassen), klären Sie vorsichtshalber Abhängigkeiten. Gibt es noch Angehörige oder Kontakte, die Leistungen dieser Verträge nutzen? Gibt es noch Guthaben (oder Verpflichtungen), das zuerst umgebucht werden kann oder muss? Sind noch Daten in Accounts (Online-Speicher) enthalten, die weiterbestehen sollen oder weiteren Angehörigen zugänglich gemacht werden sollen? Die Lösungen und der Umgang mit diesen Fragen sind äußerst vielseitig und bedürfen einer individuellen Betrachtung.
Daher immer nur einen Schritt nach dem anderen.
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